Networking für Übersetzer

Erfolgreich im Privatumfeld netzwerken!

02 Mär 2016
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Auch im Privatumfeld bieten sich für Übersetzer viele Networking-Möglichkeiten.
Auch im Privatumfeld bieten sich für Übersetzer viele Networking-Möglichkeiten.

Dieser Artikel wurde im MDÜ 01/2016, der Fachzeitschrift für Dolmetscher und Übersetzer des BDÜ, veröffentlicht.

Akquise und Networking scheinen für viele Übersetzer eher leidige Themen zu sein. Allzu oft denkt man dabei an unangenehme Kaltakquise oder steife Netzwerktreffen. Doch was ist mit all den Chancen, die sich direkt vor unserer Haustür auftun – nutzen wir diese sinnvoll? Wie können wir Freiberufler auf sympathische Art und Weise im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis auf unsere Dienstleistungen aufmerksam machen? Und wie können wir im Nachhinein einen interessanten neuen privaten Kontakt festigen?

Während eines praktischen Abends, den ich zum Thema „Networking“ durchführen durfte, haben wir uns Ende letzten Jahres in der Kölner Geschäftsstelle des BDÜ mit genau diesen und weiteren Fragen auseinandergesetzt. In diesem Artikel fasse ich einige der wesentlichen Punkte und Hilfestellungen von dieser Veranstaltung für Sie zusammen.

Kevin Katrin – Allein zu Haus“

Wie Sie vielleicht wissen, ist die Sprachdienstleisterbranche zu etwa 80 % selbständig und überwiegend weiblich. Der Großteil der selbständigen Übersetzer arbeitet zudem aus dem Home-Office. Die Mietpreise in den Großstädten steigen seit Jahren in luftige Höhen, weshalb viele Sprachdienstleister nicht (mehr) direkt in den Ballungszentren wohnen. Wer nun außerhalb der Stadt wohnt und zeitlich stark ins „Familienmanagement“ eingebunden ist – nach wie vor größtenteils eine Frauendomäne – hat neben der Arbeit am Text oft wenig Zeit und Chancen, um beruflich zu netzwerken.

Vor etwa zwei Jahren bin ich mit meiner Familie umgezogen. Nach einem Jahr im neuen Ort stellte ich fest: Ich hatte sehr viele neue Kontakte. Nette Nachbarn, viele Kita- und Spielplatzbekanntschaften, neue Sport-/Vereinskontakte und neuerdings viele ehrenamtliche Mitstreiter in der Flüchtlingshilfe. Aber fast alle meine neuen Bekanntschaften kannten mich ausschließlich als „private Liz“. Also „Liz die Mutter“, „Liz die Nachbarin“, „Liz vom Kajak-Verein“. Untergegangen ist in meinem privaten Umfeld „Liz die Sprachdienstleisterin und Unternehmerin“.

Woran lag es, dass mein direktes Umfeld nicht genau sagen konnte, was ich beruflich mache? Ganz klar – es lag an mir! Ich habe meine berufliche Welt unnötig stark von meinem privaten Umfeld abgeschirmt und habe dadurch viele Netzwerk- und Akquisechancen vertan. Das ist nicht gut, denn als Leiterin des Language-Boutique-Netzwerks suche ich nicht nur Leads für mich, sondern möglichst auch spannende Aufträge für meine Kooperationspartner, die zum Teil andere Arbeitssprachen und Fachrichtungen als ich haben.

Berufliches Netzwerk vs. privates Netzwerk

Mitte letzten Jahres ging mir jedoch ein Licht auf. Ich sah mir genauer an, wie viel Zeit ich in einem typischen Monat branchenintern (z. B. Berufsverband, Stammtische) und branchenübergreifend (z. B. Mompreneurs, meetup, Toastmasters International) netzwerke und dabei wurde deutlich: Meine beruflichen Kontakte pflege ich gerne und regelmäßig (und sei es zumindest online). Doch den weitaus größeren Teil meiner Zeit verbringe ich in meinem privaten Netzwerk, wo sich ebenfalls eine ganze Menge spannender Unternehmer, Projektmanager, Assistenten und Freiberufler tummeln.

Und, wie sieht es bei Ihnen aus?

Netzwerken im Business-Umfeld

Netzwerken im privaten Umfeld

•       Branchenintern (Sprachbranche)

•       Branchenübergreifend

•       Freunde, Familie und Verwandtschaft

•       Nachbarschaft

•       Vereine, Hobbies

•       Über Kinder (z. B. Kita, Schule)

•       Wie viele Stunden verbringe ich pro Monat im beruflichen vs. dem privaten Umfeld?

•       Mit wie vielen verschiedenen Menschen spreche ich in diesen Bereichen im Laufe eines typischen Monats?


Stellt sich die Lage bei Ihnen ähnlich dar, wie bei mir? Dann birgt das Thema „gut durchdachtes Netzwerken im privaten Umfeld“ sicherlich auch für Sie einige Chancen!

Alles klar – und jetzt?

Zücken Sie ein Notizbuch: Folgende vier Aufgaben würde ich jedem Freiberufler nahelegen.

  1. Status Quo-Analyse: Über welche Kanäle erhalten Sie die meisten Aufträge?
    B. über Google/Webseite, Agenturen, persönliche Empfehlungen, sonstige Akquisestrategien. Hieraus sollte deutlich werden, wie es allgemein um Ihre Networking-Skills steht. Wenn Sie Aufträge ausschließlich über Ihre Webseite oder Agenturen erhalten, dann ist es vielleicht an der Zeit, die Chancen des Netzwerkens für sich zu entdecken!
  2. Definieren Sie genau, welche Kunden und Aufträge für Sie besonders interessant sind.
    Nur wenn Sie wissen, was Sie genau suchen, erkennen Sie Akquise-Chancen, die sich vielleicht im privaten Umfeld vor Ihrer Nase auftun. Überlegen Sie jetzt, welche Kontakte aus Ihrem privaten Umfeld in diesem Sinne für Sie besonders „interessant“ sind.
  3. Falls Sie mehrere Dienstleistungen anbieten: Welche Ihrer Dienstleistungen sind vermutlich für die jeweiligen Kontakte in Ihrem privaten Umfeld von größtem Interesse?
    Meine Kita-Bekanntschaft, die ein mittelständisches Unternehmen führt, braucht vielleicht eine Englisch-Übersetzerin oder -Lektorin für die Firmenwebseite. Der Bekannte vom Spielplatz oder aus dem Verein hätte nach längerer Elternzeit vielleicht Interesse an einem englischen Bewerbungstraining ...
  4. What goes around comes around: Welche Ihrer privaten Kontakte könnten für Personen aus Ihrem freiberuflichen Netzwerk spannend sein?
    Ergibt sich die Chance, freiberufliche Kollegen an Freunde weiterzuempfehlen? Unter Freiberuflern sind Weiterempfehlungen nicht nur eine nette Geste, die Ihren Beliebtheitsstatus erhöhen, sondern fast schon eine „Währung“. Über kurz oder lang wird sich Ihr Goodwill und Engagement für andere auszahlen und es werden tolle Aufträge oder Kontakte über sieben Ecken als Retoure zu Ihnen finden.

Wer sich diesen Überblick verschafft hat, ist schonmal einen Schritt weiter. Doch jetzt kommt der Teil, der den meisten Kopfschmerzen bereitet: Die Umsetzung! Vor allem möchte man tunlichst vermeiden, irgendwie aufdringlich zu wirken, wenn man sich und seine Expertise im privaten Umfeld anbietet. Niemand möchte wie „die Tuppertante“ aus der Bekanntschaft sein, die einem im Halbjahresrhythmus versucht, ihre Schüsseln und Dosen schmackhaft zu machen. Es bedarf sicherlich Takt- und Fingerspitzengefühl, und wie für Sie die richtige Herangehensweise aussieht, hängt stark von Ihrer Persönlichkeit und Ihrem Temperament ab. Meine Erfahrung ist jedenfalls, dass im Freundeskreis manche Türen weit geöffnet sind und ich die „tief hängenden Früchte“ nur pflücken muss. Dazu mehr später.

„Und, was machen Sie beruflich?“

Uns Freiberuflern in Deutschland kommt die kulturelle Gegebenheit zu Gute, dass man meist schon beim ersten Kennenlernen und Small Talk gefragt wird, was man denn so beruflich macht. Wir alle haben diese Frage schon x-fach beantwortet. Aber haben Sie sich je Gedanken darüber gemacht, wie und was Sie in diesem Moment am besten antworten? Obwohl ich ein extrovertierter Mensch bin, habe ich mich in der Vergangenheit dabei oft unklug angestellt und im privaten Umfeld nur gesagt: „Ich bin Übersetzerin und Lektorin – und Sie?“

Oje! Was weiß mein Gegenüber jetzt von mir? Habe ich deutlich gemacht, dass ich nicht angestellt bin, sondern selbständig? Dies ist eine wichtige Unterscheidung, denn für die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung (fast 90%) ist eine Festanstellung die Norm. Mit anderen Worten: Wenn Sie nicht deutlich machen, dass sie selbständig sind, kommt nie jemand auf die Idee, Sie für einen (bezahlten) Auftrag anzusprechen. Während des eingangs erwähnten praktischen Abends haben wir in der Gruppe angeregt darüber diskutiert, ob es wohl besser ist, sich als freiberufliche oder lieber als selbständige Übersetzerin zu bezeichnen. Die Mehrheit empfand, dass die Bezeichnung „selbständig“ kompetenter klingt als „freiberuflich“. Als Übersetzer sollten Sie außerdem nicht vergessen, Ihre Arbeitssprache(n) zu erwähnen. Und, wenn Sie mehrere Sprachdienstleistungen im Angebot haben, überlegen Sie sich am besten vorher, für welche ein/zwei Dienstleistungen Sie bei Ihrem Gegenüber „bekannt“ sein wollen.

Ich vermute, dass Dolmetscherinnen hier einen kleinen Vorteil haben, da viele Menschen das Dolmetschen an sich bewundern und Rückfragen vorprogrammiert sind: „Wahnsinn – das stelle ich mir unheimlich schwer vor! Hast du schon mal fürs Fernsehen gedolmetscht?“ Schon bleibt man weiter über das Berufliche im Gespräch und die neue Bekanntschaft erinnert sich vermutlich noch in einem Jahr daran, dass Sie Dolmetscherin sind. Doch auch als Übersetzerin oder Lektorin kann man seinen Beruf oder seine Dienstleistungen interessant, witzig oder originell beschreiben. Ihr Ziel sollte jedenfalls sein, dass Ihr Gegenüber vielleicht eine Rückfrage hat, Sie aber zumindest als Sprachdienstleisterin in Erinnerung behält. Wie wär’s hiermit? „Ich bin selbständige Übersetzerin, übersetze vom Französischen ins Deutsche, und trage so dazu bei, dass französische Generatoren in Deutschland nicht explodieren.“

Vergessen Sie bei alledem nicht, Ihr Gegenüber zu fragen, was er denn beruflich macht. Zeigen Sie echtes Interesse und haken Sie ruhig nach, damit Sie ein genaues Bild von seiner Berufswelt bekommen. Falls sich ein nettes Gespräch entwickelt, und sofern es passt und Sie mutig sind, können Sie dann vielleicht ganz direkt fragen, ob sein Arbeitgeber schon mal Übersetzungen braucht. Oder Sie können erwähnen, dass Sie sich über Weiterempfehlungen freuen würden.

Zwischenfazit: Choose your words wisely!
Sprechen Sie – auch im privaten Umfeld – klar und positiv über sich, Ihren Beruf und Ihre Kunden.

Aufgabe: Nehmen Sie einen Stift zur Hand und formulieren Sie eine kurze und eine etwas ausführlichere Antwort auf die Frage „Was machen Sie beruflich?“

Übrigens: Auch im privaten Umfeld zählt der äußere Eindruck. Ein Vorzug der Arbeit aus dem Home-Office ist sicherlich, dass man sich nicht immer in Business-Schale schmeißen muss. Aber beim (privaten) Netzwerken wird es für Ihr Gegenüber schwer sein, sich unter einer Dame/einem Herrn mit ungekämmten Haar und Jogginghose einen kompetenten Fachübersetzer vorzustellen.

Wie halten Sie mit (neuen) privaten Kontakten den Kontakt?

  • Sie müssen Social Media nicht lieben, jedoch sollten Sie verstehen, welche Chancen und Vorteile Ihnen und Ihrem Geschäft die jeweiligen Plattformen, z. B. LinkedIn oder eine geschäftliche Facebook-Seite bieten. Ich bin beispielsweise ein großer XING-Fan. Denn hier habe ich die einfache und unverfängliche Möglichkeit, mich mit neuen und alten Bekannten zu vernetzen, mich in Erinnerung zu rufen und in Kontakt zu bleiben.
  • Thema Visitenkarten: Das wird jeder anders handhaben. Ich persönlich übergebe öfters auch im privaten Umfeld meine Visitenkarte. Wenn mich beispielsweise eine Kita-Bekanntschaft nach meiner Handy-Nummer fragt, drücke ich ihr so charmant wie möglich meine Vistenkarte in die Hand und sage so etwas wie „Ich bin selbständig und habe deshalb immer Visitenkarten zur Hand“.

Weitere Tipps, um im privaten Umfeld Aufträge zu generieren:

  1. Logo auf Ihrem Auto: Ich habe mich gerade erst entschieden, mein Auto mit Firmenlogo, Dienstleistungen, URL und E-Mailadresse bekleben zu lassen. Meinen Namen und meine Adresse möchte ich hingegen bewusst nicht angegeben, da ich keinen Überraschungsbesuch im Home-Office wünsche.
  2. Geschäftsschild an der Hauswand: Insbesondere wenn Sie beglaubigte Übersetzungen anbieten, könnte es sinnvoll sein, einen Hinweis sichtbar ans Gebäude oder Fenster anzubringen. Mieter müssen dies natürlich zuerst mit Ihrem Vermieter absprechen.

Es geht doch nichts über Freunde und Familie

Die Menschen in Ihrem engsten Familien- und Freundeskreis würden Sie bestimmt sehr gerne unterstützen und weiterempfehlen – wenn sie nur wüssten wie! Fragen Sie sie doch einfach: „Ich möchte gerne mehr Aufträge von diesen oder jenen Kunden. Würdest du mich weiterempfehlen, wenn sich bei dir in der Firma die Gelegenheit ergibt? Darf ich dir eine Visitenkarte von mir mitgeben? Darauf ist meine Webseite angegeben, auf der alle Infos zu meinen Dienstleistungen zu finden sind.“ Oder: „Hast du Kontakte aus der XYZ-Branche, die du mir vorstellen würdest?“

Mir viel vor kurzem auf LinkedIn auf, dass ich in einem Alter bin, wo aus alten Schulfreunden mittlerweile erfolgreiche Unternehmer geworden sind. Toll! Denn Zusammenarbeit und Weiterempfehlungen sind exponentiell wahrscheinlicher mit den Menschen, mit denen man an gemeinsame Geschichte anknüpft. Networking-Experte Keith Ferrazzi bringt es in seinem Buch Never Eat Alone (Geh nie alleine essen!), so auf den Punkt: „... people do business with people they know and like.“ Selbst nach vielen Jahren ohne Kontakt ist es dank XING oder LinkedIn leicht, sich wieder mit alten Freunden zu vernetzen. In dem Prozess wird sich die alte Schulfreundin ziemlich sicher auch kurz ihr Profil anschauen und sehen, dass Sie mittlerweile selbständige Übersetzerin sind. Wer weiß, vielleicht ergibt sich darüber eine spannende Kollaboration!

Und hier meine neuster Plan: 2016 werde ich zusammen mit einer selbständigen Freundin eine schicke aber entspannte Dinnerparty mit zehn guten Freunden aus Köln schmeißen. Jeder von uns ist selbständig und bekommt an dem Abend fünf Minuten Zeit, um die eigenen Dienstleistungen oder Produkte vorzustellen und zu berichten, welche Kunden oder Aufträge für ihn besonders interessant wären. Ziel ist, dass wir mit den Infos im Hinterkopf gegenseitig füreinander die Augen und Ohren offenhalten für spannende Kontakte oder mögliche Aufträge.

Kennen Sie weitere Tipps und Tricks? Dann – oder falls Sie sonstige Rückfragen und Anmerkungen haben – würde es mich sehr freuen, von Ihnen zu hören und vielleicht sind wir morgen schon auf Xing vernetzt ...

Liz Naithani (M.A.)

Englischübersetzerin, Lektorin, Sprachtrainerin
Lieblingskunden: PR- und Werbeagenturen (Corporate Communications)
Gründerin des Language Boutique® Netzwerks
E-Mail: en@language-boutique.de

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